Tagträumer und Weggucker

     Oder auch tschechisch: Kdo sní a kdo nevidí - so lautet der Name des zweiten Jugendmusicals des deutsch-tschechischen Komponisten Roman Z. Novák, das am 13. November 2006 im Rahmen des Begleitprogramms zum Prager Theaterfestival deutscher Sprache uraufgeführt wurde. Nach einer Reprise am 2. März 2007 im Prager Theater Ponec folgt nun eine Vorstellung am 4. April 2007, 20 Uhr, ebenfalls im Theater Ponec als eine der Auftaktveranstaltungen zum Deutsch-tschechischen Kulturfrühling 2007, der von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Prag und dem Deutsch-tschechischen Zukunftsfonds unterstützt wird.
     Die Idee, ein deutsches Musical für die Alterskategorie 15 bis 19 Jahre zu schreiben, entstand im Jahre 2004, als der Komponist noch als Musiklehrer an der Deutschen Schule Prag tätig war. Damals verfasste er sein erstes Jugendmusical mit dem Titel „Nachtaugen“. Die „Nachtaugen“, ein beeindruckendes Bühnenstück über Drogen und ihre Auswirkungen, erlebten im April 2005 ihre Premiere und gingen im April 2006 auf Tournee nach Leipzig, und zwar schon in teilweise neuer Besetzung und unter Einbeziehung von Schülern anderer Prager Schulen mit verstärktem Deutschunterricht, so vom Thomas-Mann-Gymnasium, dem Gymnasium Na Zatlance und dem Gymnasium Nad alejí. 
     Diese Prager Musicalgruppe arbeitete seit September 2006 intensiv an der Einstudierung des neuen Musicals. In enger Zusammenarbeit mit verschiedenen Förderern und Institutionen gelang es, das Stück in das Begleitprogramm zum prestigeträchtigen Prager Theaterfestival deutscher Sprache einzubinden.
     Die Handlung spielt in zwei unterschiedlichen Zeitebenen und Epochen. Auf der einen Seite ist es die Zeit des Klassizismus, auf der anderen die Gegenwart.
Der ständige fließende Wechsel zwischen diesen beiden Zeitebenen ermöglicht nicht nur die Betrachtung
verschiedener Parallelen im Leben der Figuren damals und heute, sondern auch eine Auseinandersetzung mit der Problembelastetheit und den gesellschaftlichen Aspekten der jeweiligen Zeit. Die Vulgarität und „Globalisierung“ in der heutigen Popszene, das Konsumverlangen der Jugend, das „oberflächliche“ und unbeschwerte Leben, Vorurteile und die Macht der Clique stellen nur einige dieser Aspekte dar.
     Die Hauptrolle verkörpert eine junge Frau, der einen Durchbruch in der Musik erreichen möchte. Anerkennung und Misserfolge, gesellschaftliche Normen und das Diktat der Mächtigen begleiten die verschiedenen Charaktere.
    Parallelen zwischen heutigen Popstars und Sternchen sowie Künstlern in der Klassik sind durchaus berechtigt und gewollt.

     Die Besetzung der einzelnen Rollen erfolgte „maßgeschneidert“, die Lieder wurden den einzelnen Darstellern sozusagen auf den Leib geschrieben und stimmlich angepasst. 
     Das deutsch-tschechische Musicalprojekt bietet ebenfalls einen geeigneten Raum für Begegnungen zwischen deutschen und tschechischen Schülern, es schafft gegenseitiges Verständnis für andere Herangehensweisen, Gedankengänge, Interpretationen, den Umgang mit Sprache und vieles andere mehr. Über allem aber spannt sich der einende Bogen der Musik, der Unterschiede verfließen und auch sprachliche Hürden leichter nehmen lässt.
     Der Autor knüpft in seinem Musical an die rege Kulturtradition der Prager Deutschen vom Beginn des 20. Jahrhunderts an, die später etwas vergessen und verdrängt wurde und nun – ebenso wie die tschechische Kultur – nach neuen Ausdrucksformen und Wegen sucht.
     Im Juni 2007 geht das Musical auf Deutschlandtournee, Spielstätten sind Pfaffenhofen und Leipzig.
                                                                                                                                 18.3.2007             Silke Klein